Neue abstrakte Bilder
„Abstrakte Bilder sind fiktive Modelle, weil sie eine Wirklichkeit veranschaulichen, die wir weder sehen noch beschreiben können, auf deren Existenz wir aber schließen können.“ (Gerhard Richter)
Die neuen Bilder setzen die Prinzipien der abstrakten Bilder fort, die ich in den vergangenen Jahren in der Produzentengalerie 13.14 präsentiert habe. Die Ausstellung zeigt ganz neue, in den letzten Monaten entstandene Werke. Die abstrakten Bilder in unterschiedlichen Formaten haben eine intensive, verdichtete Farbigkeit und leben durch ihre komplexen Strukturen. Die Materialität der Farben und die Einbeziehung des Zufalls bei ihrer Entstehung spielen dabei ein zentrale Rolle.
Zunächst mit dem Pinsel und vor allem mit der Rakel ziehe ich Schicht für Schicht die Farben auf die Leinwand. Die Spuren der Werkzeuge und Farbschichten fügen sich zu Strukturen von räumlicher und landschaftlicher Darstellung, ohne sich zu einem wiedererkennbaren Gegenstand zu verfestigen. Willkür, Zufall, intuitiver Einfall und Zerstörung lassen einen bestimmten Bildtypus entstehen, aber nie ein geplantes und vorherbestimmtes Bild.
Ein neuer Bildtyp in meiner aktuellen Ausstellung sind die Fotoübermalungen. Darunter versteht die jüngere Kunstgeschichte eine bildnerische Technik, in der eine Fotografie mit malerischen Mitteln überarbeitet wird. Anders als beim Kolorieren der Fotografie, bei der sich die Malerei der Fotografie unterordnet, behalten in der Fotoübermalung beide Medien ihre Eigenständigkeit. Die Malerei tritt in einen visuellen Dialog mit der Fotografie mit dem Ziel, diese zu kontrastieren oder auch zuzudecken. Damit schafft auch meine Fotoübermalung eine Distanz zur eigentlichen Fotografie.
Je länger man die Fotografie betrachtet, desto mehr werden die Übermalungen zu einem Teil des Gesamtbildes, mal verhüllend, dann wieder ergänzend oder verfremdend. Die dokumentarische Form der Fotos und der abstrakte, also ungegenständliche Charakter des Farbauftrags kommentieren sich gegenseitig und generieren eine Flut von Assoziationen.
In Form der von mir in Schwarzweiß fotografierten Waldlandschaften ist da zunächst das Gegenständliche: Bäume im Park oder im Wald. Auch die in Schwarzweiß von Vera fotografierte Skulptur „Mädchen mit Taube“ und die„bäuerlichen Ansichten“ sind gegenständliche Motive. Mit der Übermalung, die ich mit der Rakel vornehme, reduziere und verfremde ich die Struktur des Fotos und lasse den Gegenstand in den Hintergrund treten. Mit der Rakel wird das Bild in eine Einheit gebracht, das Zuviel bereinigt, geklärt oder im Ungewissen belassen.
In gewisser Weise sind meine kleinformatigen Fotoübermalungen die kleinen Begleiter meiner großformatigen Bilder.
Johann Georg Ludwig, Detmold/2021