Das Unbekannte und Überraschende

Meine Erwartung, meine Leidenschaft, die mich zum Malen antreibt, ist Widerstand, ist etwas, das zum Ausdruck kommen will. Es ist etwas mir Unbekanntes und Unvorhersehbares, das ich nicht einfach planen kann.

Malen, als ob es ohne meinen Willen, aber durch ein mir unbekanntes Gesetz geschieht, das Gesetz des Zufalls, dem ich mich anvertraue in der Erwartung, dass etwas auftauchen möge, eine Überraschung, vielleicht ein Wiederfinden von etwas, das verloren, vergessen zu sein schien. Etwas taucht auf, um im nächsten Augenblick wieder zu verschwinden oder nur noch als Farbfetzen oder Blase auf der Bildoberfläche zurückzubleiben.

Immer ist das Unbewusste und Unterbewusste im Spiel, treibt den Malprozess an oder lässt ihn verharren. Das Übermalen, Überrakeln, Verwischen, Hervorlocken und Zerstören in vielen Arbeitsgängen erlaubt mir, diesem Unbekannten ein Spielfeld zu schaffen, auf dem es sich zeigen, aber auch Ablenkung und Verwirrung stiften kann.

Meine Malerei ist der Versuch, die Vielschichtigkeit der Beziehungen zwischen dem mir Unverfügbaren und dem Erkennbaren im Malprozess zu erfassen. Es ist eine schwierige und oft unmögliche Beziehung des Wirklichen zum Gefundenen und vollzieht sich in einer Art permanentem Dialog zwischen dem in vielen Schichten sich aufbauenden Bild und mir.

Oft ist während des Malprozesses das Gefühl des Unvermögens im Spiel. Obwohl ich während des Malens nicht selten mein Unververmögen vorgeführt bekomme, habe ich gleichzeitig die erwartungsvolle Hoffnung und das notwendige Selbstbewusstsein, dass ein passables Bild gelingen könnte. Die Erfahrung zeigt mir auch, dass manche Bilder dem entsprechen, was ich mir erhofft habe und erwarten durfte. Allerdings erlebe ich auch, dass dieser Moment der Entscheidung, wann ich das Bild als „fertig“ oder „gut“ erkläre, kurze Zeit später wieder verworfen wird und nichts übrig bleibt als das Banale und Übliche. Eine mögliche Folge davon ist, dass ich manchmal noch nach Jahren ein Bild auslösche, indem ich es komplett neu grundiere und den Malprozess von vorn beginne.

Das Unbekannte, das Unvorhersehbare, das Unverfügbare und Überraschende sind grundlegende Antriebe meiner abstrakten Malerei. Jeder Malakt enthält etwas Rätselhaftes, etwas nicht Begreifbares und in Worte Fassbares. Aber genau das macht für mich die Malerei aus: eine Offenheit für das in Worte nicht Fassbare.

Johann Georg Ludwig

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