Meine Rakeltechnik

In meiner Malerei hat in den letzten Jahren die Rakel immer mehr an Bedeutung gewonnen.

Aber was ist eigentlich eine „Rakel“ ?

Der Begriff ist aus dem Französischen entliehen und ist zurückzuführen auf das Verb „racler“, das sich mit „schaben“, „abkratzen“, „abstreifen“ oder auch „abstreichen“ übersetzen lässt. „Racle“ beziehungsweise „Rakel“ bezeichnet entsprechend ein Werkzeug, mit dem man etwas abkratzt, abstreift oder abstreicht. Vor allem im Bereich der Druck- und Beschichtungstechnik wird dieser Begriff verwendet. Es handelt sich dabei um ein Instrument, mit dem beim Siebdruck die dickflüssige Farbe durch das Sieb auf den Bildträger gepresst wird.

In der Malerei ist die Rakel durch den Informelkünstler Karl Otto Götz bekannt geworden, der bereits in den 1960er Jahren die drucktechnische Rakel für die Bearbeitung der Farbe auf seinen Leinwänden eingesetzt hat. Unter anderen Werkzeugen arbeitete Karl Otto Götz außer mit Rakeln auch mit Fenster- bzw. Scheibenwischer, die sich in vielerlei Hinsicht mit einer Rakel vergleichen lassen. Auf die Frage, wie er denn sein Werkzeug beschreiben würde, antwortete er in einem Interview:  „Das sind diese Gummi-, Fensterputzer-Dinger.“

Gerhard Richter, sein Meisterschüler an der Kunstakademie Düsseldorf, machte mit seinen gerakelten, großformatigen abstrakten Bildern die Rakeltechnik weltweit bekannt. Angelehnt an die von Gerhard Richter eingesetzte Rakeltechnik nutze ich das Werkzeug die Rakel seit einigen Jahren, weil mit diesem Werkzeug meiner Experimentierfreude und den Möglichkeiten abstrakter Malerei Tür und Tor geöffnet sind.

 

Wie lässt sich meine Rakeltechnik beschreiben ?

Ich arbeite seit 2015 überwiegend mit der Rakel, vor allem auf großformatigen Leinwänden. Inzwischen setze ich diese Technik auch bei kleineren Formaten und Papier ein. Bei dem Werkzeug, das ich verwende, handelt es sich weder um eine drucktechnische Rakel noch um einen Fensterwischer, eher schon um einen überdimensionierten Spachtel, der je nach Leinwandformat größer oder kleiner ist.

Die Rakeltechnik ist ein komplexer und vielschichtiger Vorgang. Meine Arbeit an einem neuen Bild beginnt damit, dass ich die weiße Leinwand mit einem breiten Pinsel in meist verschiedenen Farben bemale. In einem weiteren Schritt bestreiche ich die Rakel mit einer oder auch mehreren Farben. Die Rakel führe ich sodann horizontal, vertikal und auch diagonal über das flach auf einem Tisch liegende Bild. Diesen Vorgang wiederhole ich Schicht für Schicht, wobei ich die Rakel immer wieder mit neuen Farben bestreiche. Die Oberflächenstruktur, die ich dabei mit der Rakel erzeuge, verändert sich nach jeder Schicht und ist abhängig davon, ob und wieweit die Farben der unteren Schichten bereits angetrocknet sind, in welchem Winkel ich die Rakel angesetzt habe und mit welchem Druck und in welcher Geschwindigkeit das geschehen ist.

Während Gerhard Richter ausschließlich mit Ölfarben über die Leinwände rakelt, arbeite ich mit Acrylfarben oder Lacke. Häufig tropfe ich Leinöl auf die mit Farbe überzogene Rakel. Da sich die wasserlöslichen Acrylfarben und Lacke nicht mit Öl vertragen, Öltropfen und Acrylfarben bzw. Lacke also gegeneinander arbeiten, entstehen während des Malprozesses Verläufe und Strukturen, die zell- oder blasenförmigen Gebilden ähnlich sind. Da die Rakel die Farbe nie vollständig homogen auf der Bildfläche verteilt, werden die darunterliegenden Schichten auch nie vollständig überdeckt. Bei diesem Vorgang werden untere Schichten freigelegt oder andere zerstört.

Farbschichten vermischen sich und erzeugen oft unvorhergesehene und unkontrollierbare Muster, Strukturen und Farbvariationen. Man könnte auch von einer Art Zeitlichkeit sprechen, die durch das Verdecken, Überlagern, Hervorheben und Zerstören alter, darunter liegender Schichten generiert wird. Mitunter ziehe ich mit einem Palett- oder Kuchenmesser spontan Linien durch die nassen Farbschichten, um den chaotisch wirkenden Strukturen scheinbar Halt zu geben.

Der Aufbau eines gerakelten Bildes entwickelt sich nicht durch ein bewusstes oder geplantes Vorgehen, eher könnte ich von teilkontrollierten oder teilgesteuerten Zufällen sprechen, die vielfältige Momente des Innehaltens, Zurücktretens und des intuitiven Eingreifens in den Malprozess erfordern. Während des Malprozesses trete ich immer wieder von der Leinwand zurück, betrachte das entstehende Bild, erspüre, überdenke und entscheide den nächsten Arbeitsschritt.

Wann ein Bild fertig ist, entscheide ich spontan, d.h. wenn ich am Bild nichts mehr auszusetzen habe. Etwas romantisch formuliert:  wenn das mich anschauende Bild und meine das Bild betrachtenden äußeren und inneren Augen „versöhnt“ sind.

Johann Georg Ludwig, Detmold 2021

Johann Georg Ludwig

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